Das Märchen vom grünen Wasserstoff

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Die Gaswirtschaft pustet immer wieder dieselbe rosa Wolke durchs Land: Das Zaubermittel der Zukunft heißt "grüner Wasserstoff" – hergestellt aus reinem Wasser und mit erneuerbarer Energie. Leider klingt das Versprechen zu schön, um wahr zu sein.

Durch die milliardenteuren Erdgas-Pipelines könnte also bald schon umweltfreundlicher Wasserstoff fließen, heißt es. Hunderte Kilometer neuer Leitungen sind geplant. Sogar manche Eigenheimbesitzer im Land könnten sich freuen. Ihre Erdgasheizungen würden in Zukunft mit klimaneutralem Wasserstoff befeuert.

Doch man muss weder Ingenieur, noch Chemikerin sein, um das zu bezweifeln. Ein bisschen gesunder Alltagsverstand reicht völlig aus. Schließlich werden zur Herstellung von grünem Wasserstoff ungeheure Mengen an Energie benötigt. Außerdem geht allein bei der Umwandlung von Strom zu Wasserstoff rund ein Drittel der Energie verloren. Mehr muss man eigentlich nicht wissen, um zu fragen: Wo soll denn diese ganze Energie herkommen?

Deutschland hängt ja heute schon seinen Zielen zum Ausbau der erneuerbaren Energien hinterher. Um damit hierzulande die benötigten Mengen an Wasserstoff zu gewinnen, müsste man die Kapazitäten vervierfachen. Sogar die Bundesregierung räumt ein, dass Deutschland bis 2030 maximal rund 15 Prozent des eigenen Bedarfs an grünem Wasserstoff selbst stemmen könnte. Zudem boomt wünschenswerterweise die Elektromobilität mit ebenfalls stark steigendem Strombedarf.

Also müsste man den energieintensiven Wasserstoff eben importieren. Üblicherweise wird hier Marokko als sprudelnde Quelle erneuerbarer Energien genannt, die auch Deutschland versorgen könnte. Nur erzeugt Marokko absehbar keineswegs die bei uns benötigten Mengen. Der Wüstenstaat verfügt zwar über viel Sonne, aber viel zu wenig Süßwasser zur Herstellung von Wasserstoff. Die Entsalzung von Meerwasser dagegen würde wiederum Unmengen an Energie benötigen, die irgendwo erstmal generiert werden muss.

Trotzdem soll bei uns die Infrastruktur massiv ausgebaut werden. Nach Recherchen von Investigate Europe sind in Deutschland Pipelines und andere Anlagen für fast 14 Milliarden Euro im Bau oder in Planung. Dabei ist jetzt schon absehbar, dass mit unseren Steuergeldern heute die Investitionsruinen von morgen finanziert werden. Durch die neuen Anlagen wird in Zukunft nicht einmal heiße Luft fließen. Denn Wasserstoff in den propagierten Mengen ist eine Illusion und Erdgas ein Klimakiller.

Ein klares Signal gegen solchen klimapolitischen wie auch ökonomischen Irrsinn kam Ende April 2021 aus Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung in Teilen für grundgesetzwidrig erklärt. Das heißt, die Regierung muss nachbessern, Deutschland muss seine Emissionen stärker reduzieren. Unter diesen Umständen kann eigentlich niemand mehr ernsthaft das Märchen vom Wasserstoff als Klimaschutzlösung verbreiten. Denn neue Erdgas-Anlagen und der überwiegend ganz und gar nicht grüne Wasserstoff torpedieren unsere Klimaziele.

(Quelle) Abbildung: Verschiedene Möglichkeiten zur Herstellung von Wasserstoff und die zugehörige Treibhausgasbilanz. Beim türkisen Wasserstoff fallen Treibhausgase bei der Gewinnung und beim Transport von Methan an. Je nach verwendetem Strommix ist die Treibhausbilanz variabel, liegt aber in etwa in der Größenordnung des blauen Wasserstoffs.

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